Fäulniss und Folgeschäden

Hornzersetzung und gestörte Hornproduktion

Als nächstes Thema möchten wir uns der Hornzersetzung und der gestörten Hornproduktion am Huf widmen. Auch ein Bereich wo sehr viele Shire und andere Kaltblüter von betroffen sind.

Bei der Hornzersetzung spricht man hier im Fachjargon von Hornmazeration. Generell ist eine Mazeration ein Aufweichen, Zerfall oder auch Zersetzung von Gewebe bzw. Stoffen.

Es gibt ein sehr großes Durcheinander bei den verschiedenen Begrifflichkeiten. Tiermedizin, Schmiede, Huforthopäden, u.a. haben zum Teil sehr gegensätzliche Bezeichnungen für die grundlegenden Symptome und Bereiche. Auch bei den Definitionen, die im Internet zu finden sind, wird munter alles zusammen und durcheinander geworfen.

Wir erklären im Folgenden die Begriffe mit der entsprechenden Symptomatik und von der Definition her in Anlehnung an das Deutschen Instituts für Huforthopädie (DIfHO). Wichtig ist uns nicht eine spezielle Nomenklatur zu vertreten, sondern die dahinter liegende Problematik verständlich zu machen.

Wie auch schon in den vorherigen Artikeln, soll dieses hier keine neue wissenschaftlich vollständige Abhandlung mit allen Seiten- und Sonderperspektiven sein, sondern spiegelt unsere tägliche Erfahrung und Überzeugung wieder.

1. Fäulnis (primär bei Strahl und Sohle)

Diese entsteht durch anaerobe Bakterien, welche sich in Spalten, Taschen und ähnlichem im Huf einnisten. Die Bakterien beginnen ihr zerstörerisches Werk unter Sauerstoffabschluss, Dunkelheit, Wärme und Feuchtigkeit. Ist dieses gegeben zersetzen die Bakterien das Horn zu einer schwarz-grauen öligen Flüssigkeit.

Die Ursachen hierfür sind:

  • Eine unphysiologische (unnatürliche) Belastungssituation des Hufs wie z.B. schlechter Zustand der Hornkapsel, Fehlbelastung, etc. und den damit verbundenen Eintrittspforten für die Bakterien wie z.B. Risse, Spalten und Überlappungen.
    Ein Zwanghuf zieht sehr häufig eine extrem tiefe mittlere Strahlfurche mit sich, welche dann sehr anfällig für Fäulnis ist.
  • Schlechter Pflegezustand des Hufs. z.B. Strahl ist nicht ausreichend zurück geschnitten, Strahlfurchen sind nicht frei, Eckstreben liegen auf der Sohle, zu viel altes Sohlenhorn, usw.
  • Beschläge, u.a. sehr häufig mit Deckel, Gummipolstern, orthopädische Beschläge, etc.
  • Unhygienische Haltungsbedingungen

Behandlung:

Behandlungsversuche sind sehr häufig zum Scheitern verurteilt, wenn die jeweiligen auslösenden Faktoren (Sauerstoffabschluss, Feuchtigkeit, Hufsituation, Haltungsbedingungen, …) nicht beseitigt werden !

Ist eine Fäulnis vorhanden, müssen zunächst die verfaulten Hornteile entfernt werden. Können diese nicht vollständig weggeschnitten werden, da sich die Fäulnis z.B. schon tief in die mittlere Strahlfurche hineingefressen hat, so können die Fäulnisstellen mit einem Desinfektionsmittel behandelt werden. Vom Einsatz von Jodoform–Äther raten wir ab, da der unsachgemäße Einsatz die Lederhäute schädigen kann und das Hornwachstum über Wochen gestört wird.

In den meisten Fällen reicht es den Huf korrekt zu bearbeiten und Luft (Sauerstoff) an die betroffenen Stellen zu bringen um die Bakterien abzutöten.

Aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass mehr als 80% der Fäulnisursachen in der falschen Bearbeitung der Hufe liegen. Haltungs- und Pflegeprobleme sind in der Praxis eher nebensächlich.

Shire Huf mit starkem Fäulnisbefall durch unsachgemäße Bearbeitung:

Folie1

Der selbe Shire Huf während der Bearbeitung mit sauber zurück geschnittenem Strahl und Sohle – hier hat Fäulnis in den nächsten 4 Wochen keine Chance mehr:

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Huf eines Warmbluts vor und nach der Bearbeitung. Auch hier gibt es bei der richtigen Bearbeitung keine Probleme mehr mit Fäulnis:

Folie2

2. Hufgeschwür

Wenn es im Horn, ausgelöst durch Fäulnisprozesse, zu einem Einschluss der Fäulnisflüssigkeit kommt entsteht eine Art Flüssigkeitsblase zwischen Horn und Lederhaut. Diese kann so auf die Lederhaut drücken, dass das Pferd lahmt.

Ursachen:

Analog zur Fäulnis.

Behandlung:

Die Gegenmaßnahme heißt klar: Das Hufgeschwür öffnen, damit der Druck entweichen, die Stelle abtrocknen und Sauerstoff die Bakterien abtöten kann. Um sicher zu stellen, dass die Fäulnis nicht weiter voranschreitet, sollten alle betroffenen Horn-Taschen, -Höhlen oder Überhänge vorsichtig beseitigt werden, um zu verhindern, dass sich möglichst wenig neuer Schmutz festsetzt.

In schweren Fällen, wenn die Lederhaut schon stark angegriffen ist oder die Stelle sehr empfindlich ist, empfiehlt es sich für einige Tage einen Hufverband anzulegen, bis die Stelle abgetrocknet und mit einer neuen ausreichenden Schicht Horn überzogen ist.

3. Hufabszess

Hierunter verstehen wir eine Verletzung der „lebenden“ Substanz des Hufs, wie Lederhäute, Knochenhaut, etc. die eine hochgradige eitrige Entzündung mit sich zieht. Der Eiter unterscheitet sich deutlich von der Flüssigkeit des zersetzten Horns. Sie ist eher gelblich und hat den typischen, sehr unangenehmen Eitergeruch.

Ursachen hierfür können sein:

  • In den Huf eingedrungene Fremdkörper (Glasscherben, Nägel, …)
  • Unbehandelte, fortgeschrittene oder chronische Hufgeschwüre
  • Eine unphysiologische (unnatürliche) Belastungssituation des Hufs

 

Behandlung:

Immer den Tierarzt hinzuziehen !

Dieser wird dann in der Regel den Abszess öffnen, ggf. Fremdkörper und abgestorbenes Gewebe entfernen und dann eine entsprechende Wundversorgung durchführen.
Wenn man sich mit englischen Züchtern unterhält, so meinen diese mit dem englischem Begriff „hoof abscess“ in der Regel ein Hufgeschwür (siehe Punkt 2).

4. Hufkrebs

Um es allererst vorweg zu nehmen: Hufkrebs ist kein Karzinom, also kein Krebs im menschlichen Sinne.

Beim Hufkrebs sprechen wir von einem aufquellen der Lederhautpapillen und der damit verbundenen gestörten Hornproduktion in diesem Bereich.

Es bilden sich dort schmierig weiße blumenkohlartige Wucherungen.

 

Ursachen können sein:

  • Unphysiologische Belastungssituation des Hufs -> monate- oder jahrelang ungünstiger Hufzustand; unsachgemäße Hufbearbeitung
  • Dauerhafte Überreizung der Lederhaut durch Fäulnis, Druck oder Hebelkräfte, z.B. Zwanghuf
  • Unbehandelte, fortgeschrittene oder chronische Hufgeschwüre

Behandlung:

Immer den Tierarzt hinzuziehen !

 

In unserem Kundenkreis ist noch keinen Fall von Hufkrebs aufgetreten. Bei frisch in die Bearbeitung übernommen Pferden (z.B. importierte Shire) kann man ab und zu eine Vorstufe zum Strahlkrebs sehen: Ausufernde Fäulnis in den Strahlfurchen führt zu einer Überreizung und Entzündung der Lederhaut vorauf die Produktion von gesundem Horn kollabiert.

Das Folgende Bild zeigt so ein Shire bei der ersten Bearbeitung nach der Ankunft in Deutschland.

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Zur weiteren Behandlung wurde hier konsequent das angegriffene Horn entfernt und der Huf entsprechend bearbeitet, so dass sich Belastung und Hufhygiene wieder normalisieren kann. Zusätzlich wurden die Stellen 4 Wochen lang mit Jodogel behandelt. Nach ca. 8 Wochen hatte sich der Strahl wieder normalisiert und die Gesamtsituation des Hufs zeigte sich sehr verbessert.

Zum Abschluss möchten wir nochmal betonen, dass aus unserer Erfahrung heraus die meisten Probleme aus dem oben beschriebenen Bereichen aus dem schlechten Gesamtzustand der Hufe resultieren und durch eine fachgerechte huforthopädische Bearbeitung zu vermeiden sind.

Unsere wichtigsten Grundsätze hierzu, gerade speziell bei Kaltblütern:

  • Strahl konsequent, glatt und sauber zurückschneiden, keine Taschen, Überhänge, etc. zurücklassen
  • Mittlere Strahlfurche konsequent ausschneiden
  • Strahl nicht überlasten und ggf. Belastung reduzieren
  • Sohle glätten
  • Eckstreben auf Sohlenniveau kürzen
  • Nach maximal 4 Wochen das Ganze wiederholen

 

Weiterer Artikel:
Hornrisse und Hornspalten