Dauerthema gerade bei Kaltblütern sind Hornrisse und Hornspalten. Von Spalten spricht man, wenn die Risse in der Hufwand tief bis zur Lederhaut reichen. Wir beschränken uns jetzt hier auf den Begriff Risse.
Wie schon angekündigt, werden wir hier keine neue wissenschaftliche Abhandlung über die Entstehung der unterschiedlichsten Rissformen schreiben. Wir bleiben ganz klar bei unserer persönlichen Erfahrung aus der Praxis.
Wodurch entstehen Längsrisse (parallel zu den Hornröhrchen) in der Hufwand ?
Grundsätzlich arbeiten an den Rissstellen am Huf immer zwei Kräfte gegeneinander. Dieses können z.B. ein Hebel nach außen sein der gegen einen Überdruck nach oben arbeitet oder zwei gegeneinander arbeitende Hebel etc.
Sehr anschaulich wird dieses durch drei Animationen der Deutschen Huforthopädischen Gesellschaft e.V. (DHG) dargestellt:
https://www.youtube.com/watch?v=tfnBsGZTNRE
https://www.youtube.com/watch?v=l18jv47CWMg
https://www.youtube.com/watch?v=nbHSjCg0eF8
Die konventionellen Behandlungsmethoden wie
- gefeilte Querrille über den Riss
- auskerben
- ausfräsen
- ausfüllen mit Kunsthorn
- Tapes
- Metallverstärkungen über den Riss
- Spezialbeschläge
- Futtermittelzusätze
- …
sind eine reine Symptombehandlung und sind über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt.
Den Erfolg bringt hier die geeignete Bearbeitung der Hufe, um die gegeneinander arbeitenden Kräfte richtig zu lenken damit den Huf wieder zusammenhängend von oben nachwachsen zu lassen.
Unser Fallbeispiel 1, eine gerade aus England importierte 2-jährige Shire Stute, zeigt sehr deutlich die typischen Problemfelder eines Shire Hufs.
Wir sehen den Vorderhuf vor und nach der ersten Bearbeitung sowie ca. 6 Monate danach.
Die extrem nach außen wirkenden Hebel der beiden Seitenwände, in Verbindung mit der massiven, starren Zehe, sorgen beim Aufeinandertreffen für die Risse in der Hornkapsel und destabilisieren diese.
Die Folgen sind, dass die Zehe weniger abreibt, immer länger wird und extrem nach vorne zieht. Dadurch verlagert sich das Gewicht immer weiter nach hinten auf die Trachten und führt zu einer extremen Überlastung der Trachten, diese kollabieren, schieben sich unter, die Seitenwände werden nach außen gedrückt.
Die oft gesehene „Kleeblattform“ oder „Herzchenform“ entsteht.
Das so ein Huf nicht mehr richtig abrollen kann leuchtet jedem ein. Es entsteht der typisch „paddelige“ Gang, welcher bei den Shire Shows so gerne gesehen wird und ein Kriterium für eine gute Platzierung ist. Schmerzen und massive Auswirkungen auf den Bewegungsapparat des Pferdes werden dabei in Kauf genommen.
Wir sorgen dafür, dass unsere Shire gesunde, nutzbare Füße haben und nehmen dabei auch schlechtere Platzierung bei den Zuchtschauen in Kauf.
Auf den Bildern nach 6 Monaten kann man sehr gut erkennen, dass der Huf jetzt gut abrollen kann und dadurch das gesamte Pferd sich leichter und geschmeidiger bewegt. Die Risse haben sich geschlossen und das Horn wächst jetzt wieder zusammenhängend von oben nach.
Auf den Aufnahmen von der Seite ist zu sehen, dass die Huf-Fessel-Achse stark nach hinten überdehnt (Hyperextension) ist. Die Trachten schieben extrem stark unter und die Zehe läuft sehr flach nach vorne weg, so dass diese keine Last aufnehmen kann.
Das Gewicht lastet zum überwiegenden Teil auf dem Trachten- und Ballenbereich.
Ziel ist es wieder mehr Last auf die Zehe zu bekommen und damit den Trachtenbereich zu entlasten. Damit werden dann Sehnen und Gelenke besser zueinander ausgerichtet und das Risiko von Sehnen- und Gelenkserkrankungen verringert.
Auf dem Bild nach 6 Monaten ist schön zu erkennen, wie sich die Belastungssituation verändert hat und sich die Trachten aufgerichtet haben.
Die Sohlenansicht zeigt zusätzlich noch eine auf der Sohle liegende Eckstrebe, die nochmals den Druck nach außen auf die rechte Wand verstärkt. Des Weiteren tritt ein sehr starker Fäulnisbefall bis auf die Lederhaut zu Tage.
Im Detail behandeln wir das Thema Fäulnis aber zu einem späteren Zeitpunkt noch separat.
Durch die Überlastung des Trachtenbereichs ist hier ein Trachtenzwang zu erkennen (Trachtenendkanten ziehen sich zusammen).
Der Strahl wird konsequent zurück geschnitten um möglichst alle Fäulnisstellen, Taschen und Höhlen zu entfernen. Die Sohle wird geglättet um Druckstellen (rote Einfärbungen in der Sohle) zu verringern.
Nach 6 Monaten haben Strahl und Sohle eine gute Qualität, es tritt dauerhaft keine Fäulnis mehr auf. Der Trachtenbereich hat sich deutlich entspannt und geweitet. Hierdurch konnte auch in der mittleren Strahlfurche gesundes Horn nachwachsen. Vorher wurde es durch das zusammendrücken der Trachten in der mittleren Strahlfurche zerrieben und fing an zu faulen.
Wichtige Punkte zur Bearbeitung:
- Zunächst analysiert man die auf die unterschiedlichen Wandanteile wirkenden Kräfte
- Schlüssel zur Rissbeseitigung ist dann die richtige handwerkliche Bearbeitung: Abriebsteuerung (Wand an den erforderlichen Stellen ausdünnen) und Hebel beseitigen (Reetdach nach J. Biernat anlegen)
- Bestehende Risse können nicht wieder zusammengefügt werden; das Horn muss zusammenhängend von oben wieder herunter wachsen
- Achtung: Selbst bei einer korrekt geraspelten Hufwand führt das anlegen einer sogenannten „Mustang Roll“ oder das abkanten der Hufwand sehr häufig dazu, dass die Hebelwirkung wieder eintritt und die Risse sich nicht wesentlich zurück bilden. Kaltblüter sind keine Mustangs !!!
- Fäulnis schaltet man aus, indem man die Sohle glättet, die Eckstreben sich nicht über die Sohle schieben lässt, Taschen/Höhlen/Überlappungen des Strahls konsequent entfernt, die Strahlfurchen frei hält und Überdruck auf Sohle und Strahl vermeidet
- Desinfektionsmittel und andere Tinkturen sind für den üblichen Gebrauch überflüssig und teilweise schädlich – Ausnahme: Die Fäulnis ist schon sehr weit fortgeschritten und die Lederhäute sind angegriffen. Hier machen desinfizierende und leicht austrocknende Mittel ggf. Sinn
Querrisse
Querrisse sind in den meisten Fällen nach oben durch den Kronrand gebrochene Hufgeschwüre, welche dann nach unten heraus wachsen.
In selteneren Fällen können Querrisse aber auch durch mechanische Ursachen entstehen: Bullennasig geraspelte Hufwand, dauerhaftes stolpern über eine harte Kante, zu enge Hufschuhe, …
In diesen Fällen treten die Risse aber spontan im unteren Bereich der Hufwand auf und sind deutlich feiner.
Dieses war jetzt ein kleiner Einblick in unsere Erfahrungen mit Hornrissen ohne Anrecht auf Vollständigkeit oder ideologische Korrektheit.
Fragen, wie immer gerne, an info@molehill-shire.de
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Fäulniss und Folgeschäden